Zitate von Ernst Jandl
vom leben der bäume
auch die harten schwarzen
knospen, auch die säumigen
knospen öffnet das licht.
auch die schönen weißen
blüten, auch die duftenden
blüten zerstreut der wind.
auch die schönen grünen
blätter, auch die sonnigen
blätter zerreibt der wind.
auch die alten großen
bäume, auch die beständigen
bäume bricht die zeit.
– Ernst Jandl, dingfest
sommerlied
wir sind die menschen auf den wiesen
bald sind wir menschen unter den wiesen
und werden wiesen, und werden wald
das wird ein heiterer landaufenthalt
– Ernst Jandl, dingfest
liegen, bei dir
ich liege bei dir. deine arme
halten mich. deine arme
halten mehr als ich bin.
deine arme halten, was ich bin
wenn ich bei dir liege und
deine arme mich halten.
– Ernst Jandl, dingfest
lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht
velwechsern.
werch ein illtum!
– Ernst Jandl, Laut und Luise
glückwunsch
wir alle wünschen jedem alles gute:
daß der gezielte schlag ihn just verfehle;
daß er, getroffen zwar, sichtbar nicht blute;
daß, blutend wohl, er keinesfalls verblute;
daß, falls verblutend, er nicht schmerz empfinde;
daß er, von schmerz zerfetzt, zurück zur stelle finde
wo er den ersten falschen schritt noch nicht gesetzt -
wir jeder wünschen allen alles gute
– Ernst Jandl, der gelbe hund
der tagesplan
gestern machte ich mir einen tagesplan für heute
heute stehe ich auf und schaue lange nicht darauf
es steht darauf was noch nicht getan ist
und noch heute soll das alles getan werden
und wer soll es sein der das tut
diese frage ist nicht gut
und die antwort darauf auch nicht
– Ernst Jandl, der gelbe hund
zum glück
seh ich auch nichts, das ich gern sehen möchte,
so seh ich doch, zum glück auf beiden augen
wie eh und je;
und hör ich auch nichts, das ich gern hören möchte,
so hör ich doch, zum glück auf beiden ohren
wie eh und je;
und fühl ich auch nichts, das ich gern fühlen möchte,
so fühl ich doch, zum glück, an allen körperstellen
wie eh und je;
und denk ich auch nichts, das ich gern denken möchte,
so denk ich doch, zum glück, in meinem kopf
wie eh und je;
und steh ich auch nicht, wo ich gern stehen möchte,
so steh ich doch, zum glück, mit beiden beinen
wie eh und je;
und nehm ich auch nichts, das ich gern nehmen möchte,
so nehm ich doch, zum glück, mit beiden händen
wie eh und je;
und wenn, vor der vergeblichkeit von allem,
mich grauen packt, so bin ich doch, zum glück,
intakt wie eh und je.
– Ernst Jandl, der gelbe hund
Unter anderen
Der Mann sucht
die Frau
mit seinen Augen und
seinen Händen
und geht durch Straßen
(Leicht zu finden
sagen andere)
Der Mann sucht
die Frau
für seine Augen und
für seine Hände
für seine Augen und
für seinen Mund
der Worte sprechen möchte
die schwer zu finden sind
unter anderen.
– Ernst Jandl, Andere Augen
Dreiblättriger Klee
Ich pflücke dich auf der sonnigen Wiese
und lege dich in mein Notizbuch
damit du mir Glück bringst, dreiblättriger Klee
Oder ist Glück eine Ausnahme
ein vierblättriger Sonderling
auf einer sonnigen Wiese voll dreiblättrigem Klee?
– Ernst Jandl, Andere Augen
suchen wissen
ich was suchen
ich nicht wissen was suchen
ich nicht wissen wie wissen was suchen
ich suchen wie wissen was suchen
ich wissen was suchen
ich suchen wie wissen was suchen
ich wissen ich suchen wie wissen was suchen
ich was wissen
– Ernst Jandl, die bearbeitung der mütze
das fanatische orchester
der dirigent hebt den stab
das orchester schwingt die instrumente
der dirigent öffnet die lippen
das orchester stimmt ein wutgeheul an
der dirigent klopft mit dem stab
das orchester zerdrischt die instrumente
der dirigent breitet die arme aus
das orchester flattert im raum
der dirigent senkt den kopf
das orchester wühlt im boden
der dirigent schwitzt
das orchester kämpft mit tosenden wassermassen
der dirigent blickt nach oben
das orchester rast gegen himmel
der dirigent steht im flammen
das orchester bricht glühend zusammen
– Ernst Jandl, die bearbeitung der mütze
jetzt lege ich mich schlafen
weil ich schläfrig bin
und tu als ob ich schliefe
bis ich eingeschlafen bin
– Ernst Jandl, peter und die kuh
anders
mir ist so anders
als mir war
als mir noch nicht
so anders war
wie war dir denn
als dir noch nicht
so anders war
wie eben jetzt
als mir noch nicht
so war wie jetzt
war mir ganz anders
bis zuletzt
wann war zuletzt
daß dir noch nicht
so anders war
wie eben jetzt
immer war mir
bis knapp zuvor
ganz anders
ohne übergang
– Ernst Jandl, peter und die kuh
manchmal kommt mir jemand entgegen und lächelt mir zu.
da weiß ich, daß ich voll freude bin.
auf meinem gesicht hat jemand ein leuchten gesehen
und hat selbst zu leuchten begonnen, auf mich hin.
– Ernst Jandl, peter und die kuh
vier versuche zu definieren
meine liebe
ist der schmerz meiner zeitweisen abwesenheit von dir.
meine liebe
ist das lachen beim zeitweisen wiedersehen mit dir.
meine liebe
ist das aufsagen unbedeutender worte vor dir.
meine liebe
ist der zeitweise ungläubige thomas in mir.
– Ernst Jandl, Liebesgedichte
spiel und verfolgung
wenn sie ihn nicht gut
verfolgen kann
weil sie nebeneinander
durch die straßen schreiten
oder einander gegenüber
ein verkehrsmittel oder speisehaus benützen
verfolgt sie
seine blicke.
seit er das bemerkt hat
sind es nicht mehr die nächstliegenden objekte
männlicher betrachtung
worauf er seine blicke wirft
während sie nebeneinander
oder einander gegenüber
das beisammensein genießen
sondern alles was möglichst komplizierte
kopfwendungen bedeutet
wenn sie seine blicke verfolgt.
– Ernst Jandl, Liebesgedichte