Einsamkeit
Indem ich allein dahinmarschierte, fiel mir ein, daß ich im Grunde alle meine Wege so einsam gemacht habe, und nicht nur die Spaziergänge, sondern alle Schritte meines Lebens.
– Hermann Hesse, Eine Fußreise im Herbst
Nebel
Seltsam im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum kennt den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war,
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
– Hermann Hesse, Eine Fußreise im Herbst
"Sie haben eine Krankheit, die leider Mode ist und der man jeden Tag bei intelligenteren Menschen begegnet. Die Ärzte wissen natürlich nichts davon. Es ist mit moral insanity verwandt und könnte auch Individualismus oder eingebildete Einsamkeit genannt werden. Die modernen Bücher sind voll davon. Es hat sich bei Ihnen die Einbildung eingeschlichen, Sie seien vereinsamt, kein Mensch gehe Sie etwas an und kein Mensch verstehe Sie. Ist es nicht so?"
"Ungefähr, ja", gab ich verwundert zurück.
"Sehen Sie. Für den, der die Krankheit einmal hat, genügen ein paar Enttäuschungen, um ihn glauben zu machen, es gebe zwischen ihm und anderen Menschen überhaupt keine Beziehungen, höchstens Mißverständnisse, und es wandle eigentlich jeder Mensch in absoluter Einsamkeit, könne sich den anderen nie recht verständlich machen und nichts mit ihnen teilen und gemeinsam haben. Es kommt auch vor, daß solche Kranke hochmütig werden und alle anderen Gesunden, die einander noch verstehen und lieben können, für Herdenvieh halten. Wenn diese Krankheit allgemein würde, müßte die Menschheit aussterben. Aber sie ist nur in Mitteleuropa und nur in den höheren Ständen zu treffen. Bei jungen Leuten ist sie heilbar, sie gehört sogar schon zu den unumgänglichen Entwicklungskrankheiten der Jugend."
– Hermann Hesse, Gertrud
Wertlos, so schien es ihm, wertlos und sinnlos hatte er sein Leben dahingeführt; nichts Lebendiges, nichts irgendwie Köstliches oder Behaltenswertes war ihm in Händen geblieben. Allein stand er und leer, wie ein Schiffbrüchiger am Ufer.
– Hermann Hesse, Siddhartha
Ein Wort, nach dem ich jeden Morgen suche
Ein Blick, der sich in deinem Haar verliert
Was mach ich bloß daß du mich einmal ansprichst
Was mach ich bloß daß du mich mal berührst
Wenn nichts passiert, bin ich nicht immer glücklich
Und dennoch kann ich manchmal gar nichts tun
Bei dir hilft auch kein Blödsinn, du hältst die Welt in Atem
Ich kann warten, und besser noch als du.
– Elements of Crime, Ich kann warten
Er wußte nur, daß er jetzt allein war, und das war keineswegs dasselbe wie selbständig zu sein. Ich muß ein Ziel finden, dachte er, ein Ziel, das ich mir selbst gewählt habe; erst dann werde ich frei und selbständig sein.
– Hans Bemmann, Stein und Flöte
[Es] wurde ihm bewußt, daß der Preis des Sieges die absolute Einsamkeit war. Um zu überleben, hatte er alles zerstört, was sich rings um ihn regte, und nun trieb er wie ein Staubkorn ins Nichts hinab und würde ewig so weitertreiben.
– Hans Bemmann, Stein und Flöte
And in my world, and in my world
it's all the same
and nothing's ventured, nothings changed
and nothing's lost and nothing's gained.
– Midnight Oil, Nothing lost - nothing gained
Wir wollen nicht ewig leben, aber wir wollen auch nicht alles Tun und alle Dinge plötzlich jeden Sinn verlieren sehen. Dann zeigt sich die Leere, die uns umgibt.
– Antoine de Saint-Exupéry, Nachtflug
Schweigt der Menschen laute Lust:
Rauscht die Erde wie in Träumen
Wunderbar mit allen Bäumen,
Was dem Herzen kaum bewußt,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.
– Joseph von Eichendorff, Der Taugenichts
Wenn man sich einsam fühlt, liegt es daran, daß man Mauern baut statt Brücken.
Ich habe mein Leben gehabt, wie es mir paßte, und es hat mir nicht an Freiheit und an Schönem gefehlt, aber ich bin doch immer allein geblieben.
– Hermann Hesse, Das Ende
I'd sail across the ocean
I'd walk a hundred miles
if I could make it to the end
oh just to see a smile.
– Iron Maiden, Childhood's end
A person gets used to being alone, but break it just for a day and you have to get used to it again, all over from the beginning.
– Richard Bach, Illusions
Einsamkeit ist der Schlüssel zur Erkenntnis, daß sich das Leben nicht auf Dinge beschränkt, die die Erde hervorbringt.
– Richard Bach, Meine Welt ist der Himmel
Ruhe, das höchste Glück auf Erden,
kommt sehr oft nur durch Einsamkeit in das Herz.
– Schiller, Ruhe
So there was some future ahead for me that could not possibly happen without my first having lived this free lonely present.
– Richard Bach, The Bridge Across Forever
The opposite of loneliness, it's not togetherness. It is intimacy.
– Richard Bach, The Bridge Across Forever
Your armor, it shields you from any woman who would destroy you, sure enough. But unless you let it go, it will shield you as well from the only one who can love you, nourish you, save you from your own protection.
– Richard Bach, The Bridge Across Forever
Fear not. If you want magic, let go of your armor. Magic is so much stronger than steel.
– Richard Bach, The Bridge Across Forever
Until you make room in your life for someone as important to you as yourself, you will always be lonely and searching and lost.
– Richard Bach, The Bridge Across Forever
Zugemauert
Eine Ladung Bequemlichkeitsblöcke,
eine Ladung Sicherheitseisen,
eine Ladung Feigheitsziegel,
alles verkleidet mit
netten "Anpassungsklinkern"
und obendrauf einen
Schwierigkeitsableiter.
So hast Du Dich
und Deine Gefühle
eingemauert.
"Gut vorgesorgt",
jetzt kann Dich niemand
mehr verletzen -
aber auch niemand
mehr erreichen.
MAUERN MACHEN EINSAM.
– Kristiane Allert-Wybranietz
Es war um nichts schade, was vorüber war. Schade war es um das Jetzt und Heute, um all diese ungezählten Stunden und Tage, die ich verlor, die ich nur erlitt, die weder Geschenke noch Erschütterungen brachten. Aber Gott sei gelobt, es gab auch Ausnahmen, es gab zuweilen, selten, auch andre Stunden, die brachten Erschütterung, brachten Geschenke, rissen Wände ein und brachten mich Verirrten wieder zurück ans lebendige Herz der Welt.
– Hermann Hesse, Der Steppenwolf
Einsamkeit ist Unabhängigkeit, ich hatte sie mir gewünscht und mir erworben in langen Jahren. Sie war kalt, o ja, sie war aber auch still, wunderbar still und groß wie der kalte stille Raum, in dem die Sterne sich drehen.
– Hermann Hesse, Der Steppenwolf
Er erreichte sein Ziel, er wurde immer unabhängiger, niemand hatte ihm zu befehlen, nach niemandem hatte er sich zu richten, frei und allein bestimmte er über sein Tun und Lassen. Denn jeder starke Mensch erreicht unfehlbar das, was ein wirklicher Trieb ihn suchen heißt. Aber mitten in der erreichten Freiheit nahm Harry plötzlich wahr, daß seine Freiheit ein Tod war, daß er allein stand, daß die Welt ihn auf eine unheimliche Weise in Ruhe ließ, daß die Menschen ihn nichts mehr angingen, ja er selbst nicht, daß er in einer dünner und dünner werdenden Luft von Beziehungslosigkeit und Vereinsamung langsam erstickte.
– Hermann Hesse, Der Steppenwolf
Einsam ist, wer die Schönheit zu erleben und von ihr zu sagen weiß. Es ist die Einsamkeit des Berufenen, er darf die Kinderwelt und das Kinderleben der andern nicht teilen. Dafür hört er die Stimmen, die jene nie hören. Und außerdem gibt es für seine Einsamkeit, wie für jede, die Lösung und Erlösung: Das Erkennen des Einen und Ganzen hinter allen Vereinzelungen.
– Hermann Hesse, Brief von 1947
Ich lag im offenen Fenster und schaute dem Wasser zu, das ebenso unaufhaltsam und ebenso gleichmäßig und eintönig und gleichgültig der Nacht und Ferne entgegenfloß, wie mir die öden Tage dahinrannen, von denen jeder köstlich und unverlierbar wertvoll hätte sein können und sein sollen und von denen doch einer wie der andere ohne Wert und ohne Andenken unterging.
– Hermann Hesse, Fragment aus der Jugendzeit
Ich fühle die Einsamkeit wie einen gefrorenen See um mich her, ich fühle die Schande und Torheit dieses Lebens, ich fühle den Schmerz um die verlorene Jugend grimmig flammen. Es tut weh, freilich, aber es ist doch Schmerz, es ist doch Scham, es ist doch Qual, es ist doch Leben, Denken, Bewußtsein.
– Hermann Hesse, Taedium vitae
Sich vergleichen ist immer der Untergang. Wenn du besser abschneidest als die anderen, fühlst du dich einsam, und wenn nicht, fühlst du dich auch einsam.
– Doris Dörrie, Happy
Es ist vielleicht besser allein zu sein, als von einem anderen abzuhängen.
– Paul Auster, Schlagschatten
I find it wholesome to be alone the greater part of the time. To be in company, even with the best, is soon wearisome and dissipating. I love to be alone. I never found the companion that was so companionable as solitude. We are for the most part more lonely when we go abroad among men than when we stay in our chambers. A man thinking or working is always alone, let him be where he will.
(Ich finde es gesund, die meiste Zeit allein zu sein. Gesellschaft, selbst mit den Besten, wirkt bald ermüdend und zerstreuend. Ich bin unendlich gern allein. Noch nie fand ich den Gesellschafter, der so gesellig war wie die Einsamkeit. Wir sind meistens einsamer, wenn wir hinausgehen unter die Menschen, als wenn wir in unserm Zimmer bleiben. Der denkende und arbeitende Mensch ist immer allein, sei er, wo er wolle.)
– Henry David Thoreau, Walden
I need solitude. I have come forth to this hill ... to see the forms of the mountains on the horizon - to behold and commune with something grander than man.
– Henry David Thoreau, Journal, August 14, 1854
Wenn ich allein klarkomme, komme ich überallhin.
– Paulo Coelho, Elf Minuten
The whole conviction of my life now rests upon the belief that loneliness, far from being a rare and curious phenomenon, peculiar to myself and to a few other solitary men, is the central and inevitable fact of human existence. When we examine the moments, acts, and statements of all kinds of people - not only the grief and ecstasy of the greatest poets, but also the huge unhappiness of the average soul ... we find, I think, that they are all suffering from the same thing. The final cause of their complaint is loneliness.
– Thomas Wolfe, God's Lonely Man
Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
– Rainer Maria Rilke, Das Buch der Bilder
Es gibt zwei Arten von Stille [...]. Die hohe Stille, die hinter dem Gebet. Die Stille, wenn man dem Göttlichen nahe ist. Die Stille, welche die verdichtete, ungeborene Anwesenheit allen Lichts ist. Und dann gibt es die andere Stille. Hoffnungslos weit entfernt von Gott. Und von anderen Menschen. Die Stille der Abwesenheit. Die Stille der Einsamkeit.
– Peter Høeg, Das stille Mädchen
Wenn viele Berge
Flüsse überschritten sind
kommt wohl ein Land
wo Einsamkeit ein Ende hat
Auch heute geht die Reise weiter
– Wakayama Bukusui, In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter
Tony Lip: The world's full of lonely people afraid to make the first move.
– Green Book
Wenn Sie sich einsam fühlen, wenn Sie allein sind, befinden Sie sich in schlechter Gesellschaft.
– Jean-Paul Sartre